Am 21.6.2025 startet wieder ein Kurs zum Facrereading (15 h).
Dieser Blogbeitrag ist erschienen am 1.5.2025 als Teil des Newsletters zum Thema "Familienstellen".
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Schattenarbeit im Familienstellen ist auch sinnvoll bei wiederkehrenden Mustern.
Im Familienstellen gibt es das Thema „Schattenarbeit“ nicht explizit. Aber in meiner Tätigkeit als Heilpraktikerin ist Schattenarbeit sehr häufig, egal bei welchem Tätigkeitsschwerpunkt. Und auch im Familienstellen kann Schattenarbeit Anlass für eine Aufstellung sein.
Mit Schattenarbeit meine ich, dass wir in uns etwas ungeklärt haben, das uns zum Großteil unbewusst ist und uns aber behindert im Leben. Es zeigt sich in Prokrastination, Depression, Ängsten und Hassgefühlen. „Schatten“ wird als Bezeichnung sowohl verwendet für das, was wir bewusst wahrnehmen an uns oder an anderen, aber ablehnen, als auch für das, was uns unbewusst ist und der eigentliche Auslöser unserer Probleme (im Unbewussten) ist.
Unsere Probleme lösen wir alle, so gut wir können. Aber Probleme, die uns nicht bewusst sind, können wir schlecht lösen. Es gibt aber Möglichkeiten, sich bewusst zu werden über das Unbewusste.
Im Frühling oder im Traume
bin ich dir begegnet, einst,
und jetzt gehn wir zusamm durch den Herbsttag,
und du drückst mir die Hand und weinst.
Rainer Maria Rilke
Im Familienstellen arbeiten wir ständig mit dem Unbewussten.
Mein Lehrer sagte dazu, wenn er aufstellt, dann nicht, weil der Klient ein Problem hat. Denn das, was der Klient sagt, das ist etwas, was ihm bewusst ist. Er hat es wahrgenommen und er kann es in Worte kleiden. Daraus entsteht aber keine wirksame Aufstellung. Sondern mein Lehrer sagte: „Ich stelle das auf, was fehlt.“
Das Thema, was wir haben, ist uns anhand unserer Aversionen und unser deutlichen Abneigung und Ablehnung von Verhalten und Eigenschaften an uns und anderen wie in einem Spiegel wahrnehmbar. Aber ein Therapeut kann nicht mit diesem Spiegelbild des eigentlichen Themas arbeiten: Wir therapieren nur unsere Klienten, nicht andere Personen. Und: Wir kurieren das, was den Symptomen (also auch der Abneigung von etwas) zugrunde liegt, nicht die Symptome an sich.
Der noble Satz: „Wir kurieren die Krankheit, nicht die Symptome!“ ist ein Grundsatz aus der Homöopathie. Er gilt für das Familienstellen im übertragenen Sinne aber ebenfalls.
Wer sein Anliegen in der Anamnese vorträgt, muss sich vom erfahrenenen Aufsteller befragen lassen zu Dingen, die ihm vielleicht seltsam erscheinen oder fernliegend.
Ahnt der Aufstellungsleiter schließlich, was fehlt im System (oder besser: wer fehlt), kann die Aufstellung schon beginnen. Sie beginnt auch häufig nur mit einer bloßen Ahnung, denn die phänomenologische Arbeit steht im Vordergrund, nicht etwa eine Methode. Was der Aufstellungsleiter also als Idee hätte, wohin diese Aufstellung "gehen" könnte, muss sich zeigen dürfen. Wir stellen nicht auf, was jemand glaubt, sondern das "Feld" zeigt uns, was wirklich in der Seele "los ist".
Eine Ahnung ist aber manchmal eine zu schwache Energie, und wenn möglich, bringt der Leiter durch Nachfragen noch mehr Gewicht (Leidensdruck) zum Vorschein. Was keinen (oder nur wenig - zu wenig) Leidensdruck verursacht, ist kein akutes Anliegen und grundsätzlich ungeeignet für eine Aufstellung – im jetzigen Zeitpunkt.
Ich stelle das auf, was fehlt.
Peter Orban (mein Aufstellungsleiter)
Zum Beispiel kam eine Frau zum Familienaufstellen, die genau wusste, was fehlt. Ein starker Mann fehlte ihr. Untechnisch gesprochen wollte sie sich trennen und ihr Anliegen war entweder in die Vergangenheit gerichtet – welches Muster steckte dahinter, dass sie immer ihre Partner bemuttern musste? – oder in die Zukunft – wie kann sie sich einvernehmlich trennen, ohne sich oder den Ex-Partner (noch mehr) zu verletzen.
Beide Themen lassen sich in für Familienaufstellungen übliche Fragestellungen oder Anliegen „übersetzen“:
Muster wie das, dass eine „Alpha-Frau“ mit devoten und schwachen Männern Beziehungen eingeht, können entweder eine Thematik mit dem Vater (also ein Thema der Ursprungsfamilie Vater-Mutter-Kind) bedeuten oder eine Art „schweres Schicksal“ sein, das gar nicht unbedingt dem Klienten selbst zustößt, sondern auch möglicherweise einem anderen Mitglied des Familiensystems zugestoßen ist, aber das bisher nicht transformiert wurde und nun „dran“ ist. Ist also die Klientin mit dem Muster nicht selbst von einem schweren Schicksal betroffen (wie zB. Flucht, Krieg, Enteignung, Verlust eines Kindes, und manches andere), kann es sein, dass sie dieses Thema übernommen hat (viele Aufsteller sagen dazu: Sie trägt aus Liebe die Last eines anderen).
Und der Wunsch nach einem „sauberen Ende“ einer unguten Beziehung kann auch aufgestellt werden. Dann prüft der Aufstellungsleiter, ob die Klientin noch „Taler“ (ein Symbol für Gefühle und Verstrickungen, die sich festgesetzt haben im Seelischen) beim Ex-Partner hat und richtet im Rahmen der Aufstellung den Fokus darauf. Am Ende können „im Feld“ beide Beziehungspartner sich noch einmal respektvoll zurückbesinnen auf das Vergangene, den anderen freigeben und ihm ehrlich das Beste wünschen auf seinem weiteren Lebensweg und sich schließlich im Frieden auseinanderbewegen, jeder in seine Richtung. Manchmal zeigt sich noch eine Nebenthematik wie dass zum Beispiel auch hier eine Verstrickung mit dem Vater bestand und bisher nicht gelöst worden war. Die Aufstellung, bei der „Taler“ an den Ex-Partner zurückgegeben werden, die man einst von ihm im Rahmen einer Liebesbeziehung geschenkt bekommen hatte, ist eine ähnliche Aufstellung wie die Nachnährungsaufstellung oder Geburtsaufstellung, wo das Kind eine unterbrochene oder fehlende Hinbewegung zu einem oder zu beiden Elternteilen (meist und vor allem aber zur Mutter) nachholt und am Ende der Aufstellung sich wegdreht und in sein eigenes Leben startet.
Mein Lehrer hat oft und am Ende seiner Aufstellungszeit auch noch immer öfter gefragt: „Was ist das Ziel einer jeden Aufstellung?“ Wir wussten es. „Frieden“, beantwortete er immer seine eigene Frage nickend.
Im Frieden auseinandergehen bedeutet oft, dass Tränen fließen mussten und durften. Im Frieden jeder den eigenen Lebensweg fortsetzen können heißt, den anderen wirklich ziehen zu lassen und ihn nicht als „Erfolg“ oder „Erfahrung“ zu verdinglichen, es heißt vielleicht sogar, dass man auf Hilfe und Unterstützung verzichtet in Zukunft. Das ergibt sich jedoch im richtigen Rahmen. Niemand muss auf Ehegattenunterhalt verzichten oder gar auf Kindesunterhalt. Es darf nur kein Sex mit dem Ex mehr im Raum stehen und der Ex ist auch grundsätzlich keine Vaterfigur oder der beste Freund, sondern ein ganz und gar eigenständiger Mensch.
Wer einen „sauberen Schluss“ mit seinem Expartner geschafft hat, schnappt sich auch nicht mehr einen ähnlich „gestrickten“ neuen Partner, sondern ist ganz und gar frei von den Eigenschaften und Energien, die einst so wichtig waren in der vergangenen Beziehung.
Familienaufstellungen sind „der Killer“ für jede Art von Wiederholungsmuster. Das Ende kann man „gut“ machen bei einer vergangenen Beziehung, egal ob das Beziehungsende frisch ist oder schon ewig her. Egal ist auch, ob der andere noch lebt oder nicht. Ende gut, alles gut – und wenn es noch nicht gut ist, dann ist es auch nicht das Ende. Und man muss es nochmal aufstellen.
Am Ende wird alles gut.
Wenn nicht, ist es noch nicht das Ende.
unbekannter Verfasser
Was hat denn nun im System gefehlt? Welche Verstrickung(en) lag(en) denn nun vor?
In dem Fall habe ich nicht das aufgestellt, an das ich - wie oben beschrieben - aus fachlicher Sicht gedacht habe, sondern ich habe den Archetyp des Männlichen aufgestellt. Also: Wie ist ein guter Vater? Wie ist ein guter (männlicher) Partner? Die Frage, was fehlt, ließ sich damit nämlich auch beantworten.
Darauf gebracht hatte mich - wie es sich für diese intuitive und mit dem Unterbewussten gekoppelte Arbeit "gehört" - die Erwähnung der vielen Männer, die im Leben der Klientin eine wichtige Rolle gespielt hatten und haben. Ich hatte gehört, dass sie nicht nur von ihrem Beziehungsthema, was sie selbst ja als ihr aktuelles Thema eingestuft hatte, belastet war. Sondern sie hatte auch erzählt von ihren Söhnen und von ihrem Vater. "Das habe ich alles schon längst aufgestellt. Das ist alles bearbeitet und in Ordnung", sagte sie.
Wir Aufstellungsleiter haben dann verschiedene Methoden, um mit dem "Feld" zu sprechen. Oder besser: Um mit der Seele Kontakt aufzunehmen. Mir gefällt es, in den Fußstapfen meines Lehrers zu laufen. Der lief nämlich meist im Feld herum, noch bevor die Aufstellung begann - und zwar im Kreis.
Wie er laufe ich natürlich dann nicht - er lief meist im Uhrzeigersinn herum. Ich laufe in egal welche Richtung. Aber: Ich laufe im Kreis.
Wenn ich das tue, tue ich das nicht unbedingt, weil ich mich unsicher fühle. Im Gegenteil: Ich habe manchmal ja ganz konkrete Ideen, was das Feld jetzt für uns tun könnte!
Und genau das sollte ich mir ganz schnell abgewöhnen zu glauben. Das Feld muss sozusagen gegen meine Gedanken "arbeiten", wenn ich kleiner Mensch das Seelische mit meinen schlichten Gedanken befrage. Das Feld (oder: die Seele) ist aber weitaus vielschichtiger und kreativer als ein einzelner Mensch es je sein könnte!
Wenn ich da so im Kreis laufe, bitte ich darum, dass mich jemand der Teilnehmer im Raum - die ja den Kreis bilden und dort im Kreis sitzen - inspiriert. Und ich bitte darum, dass ich jetzt das aufstelle, um das es _wirklich_ geht. Kein Format, was ich mir zurechtgelegt habe, sondern etwas, was die Seele von mir fordert. Ich bitte also die Seele um Anleitung.
Ich bin dann bewusst hilflos. Im Zen heißt es, man muss sich "leeren", um etwas empfangen zu können (vom Himmel). So in der Art kippe ich also alles, was ich im Anamnesegespräch in Erwägung gezogen habe, über Bord. Weg damit. Es gilt nur das Prinzip der Phänomenologie.
Und dann war es eben die Archetypenaufstellung, die das Feld forderte.