Am 21.6.2025 startet wieder ein Kurs zum Facrereading (15 h).
Was ist das Ziel von Heilung? ...Rom?
Viele Wege führen nach Rom. Aber: Bei der Heilung zeigt sich oft nicht so deutlich, ob wir nach „Rom“ wollen.
In der Schulmedizin gilt das Prinzip, dass Krankheit bekämpft werden muss. Da Ziel ist eine Art „Rom“, nämlich ein gesunder Körper mit einem gesunden Geist, also ein gewisses Wohlbefinden. Natürlich geht es in der Schulmedizin auch darum, Menschen gesund zu halten (Prophylaxe, Ernährung…) und - wenn eine Krankheit nicht heilbar erscheint - Schmerzen zu lindern und einen bestmöglichen Umgang mit der Krankheit zu ermöglichen, also das Dasein zu erleichtern.
Für einen Homöopathen ist es unklar, ob es „das Rom“ gibt oder ob der Patient bereits in „Rom“ ist, selbst wenn er krank oder gar im Sterben begriffen ist.
In der Homöopathie - zB. bei James Tyler Kent - gibt es die Zielsetzung, durch eine Synthese aller je beobachteten Symptome ein homöopathische Arzneimittel zu finden, und zwar „das eine Mittel“, welche die aktuellen wie auch die Probleme im Lebenslauf des Patienten löst.
Es ist klar, dass Kent einen ganz anderen Standpunkt zum Thema „Krankheit“ inne hatte als das im Sprachgebrauch (heute) üblich ist. Kents Sichtweise verwischt den Unterschied zwischen Gesundheit und Krankheit.
Zunächst sollten die jüngeren Symptome verschwinden, später die älteren.
Symptome wie „Verlangen nach…“ / „Abneigung gegen…“ sind für Hahnemann nur dann für die Auswahl des Arzneimittels relevant gewesen, wenn sich diese Symptome bei einer Krankheit ändern.
Cure the patient, not the desease.
= Heile den Patienten, nicht die Krankheit!
Kent
Für Heilung galt, was ich selbst auch für allein ausschlaggebend halte: Gemütssymptome sind zentral für die Mittelwahl.
The mind is the key to man.
= Das Gemüt / die Psyche / die Gedanken sind der Schlüssel zum Menschen (und zu seiner Gesundheit).
Kent
Kent hatte als Gedanken etwas, das ich ein „feststehendes Bild“ des Patienten nennen würde. Für die moderne prozessorientierte Homöopathie hingegen gibt es - zumindest nicht für uns wahrnehmbar - kein festes Bild, also keinen bestimmten Charakter eines Menschen, sondern er entwickelt sich (prozesshaft).
Für uns Homöopathen ist es bedauerlich, dass wir unsere Heilkunst nicht mit wissenschaftlichen Prinzipien bewahrheiten können. Aber es gibt Prinzipien, und an denen können wir uns orientieren.
Jede klare Offenbarung eines Prinzips ist heilsam. Zeigte sich der Teufel auf Erden sichtbar und ganz wie er ist, so fielen seine besten Anhänger von ihm ab. Das weiß er auch und versteckt sich.
Frederic Bettex
Bei der prozessorientierten Homöopathie geht es um die Veränderung hin zu dem Menschen, der sich gut fühlt, der glücklich ist und gesund. Diese Veränderung ist ein Prozess.
C. G. Jung verstand unter dem Prozess der Selbstwerdung einen Individuationsprozess: Er meint damit den Prozess der Auseinandersetzung zwischen dem Bewusstsein und dem Unbewussten. Wenn also der „Weg nach Rom“ ein Ziel hat, dann ist das im Prozess das Selbst (in der Jungschen Terminologie). Andere nennen das Ziel vielleicht auch „höheres Selbst“.
‚Werden, der man ist‘, ‚Werden, die man ist‘ heißt keineswegs glatt, harmonisch, abgeschliffen zu werden, sondern immer mehr an sich wahrzunehmen, was man ist, was stimmig ist in der eigenen Persönlichkeit samt Ecken und Kanten. Insofern ist der Individuationsprozess auch immer ein Annäherungsprozess; wir wissen ja nicht, was wir letztlich sind, und auch der Analytiker / die Analytikerin weiß es nicht. Es ist eine Annäherung, jede Wandlung, die wir erleben, ist auf Korrigierbarkeit angelegt, ist vorläufig.
Verena Kast
Verena Kast hat viel veröffentlich zu C. G. Jung und spricht aus, was Jung gemeint hat.
Wenn wir eine homöopathische Behandlung vornehmen, kommen wir an viele "Ecken und Kanten" der Persönlichkeit heran. Ein Homöopath ist aber - anders als ein Psychotherapeut - nicht dazu da, um darüber zu urteilen. Im Gegenteil: Für den Homöpathen sind alle "Ecken und Kanten" Symptome, also Wegweiser für das bestgewählte Arzneimittel. Es gibt keine Fehler im Charakter. Wenn ein Mensch aber unglücklich ist, wenn er sogar körperlich krank wird, dann können die "Ecken und Kanten" auch verändert werden mittels einer homöopathischen Behandlung.
Der Blick des Homöopathen ist aber weiter urteilsfrei und für den Patienten fühlt es sich nur wie ein Wunder an, wenn er merkt, er hat sich verändert. Homöopathie ermöglicht, neu Dinge wahrzunehmen. Nach der Einnahme des richtigen Arzneimittels wird zuerst das Lebensgefühl besser (Schlaf, Grundgefühl). Dann oder auch sofort und zeitgleich stellen sich plötzlich die Gegebenheiten anders dar für den Betroffenen. Oder er bekommt plötzlich neue Angebote vom Leben. Er strahlt etwas anderes aus.
Wenn wir an die verschiedenen Sichtweisen in der Homöopathie denken, Hahnemann mit dem Bild von „Krankheit“, Kent mit dem Bild des „Selbst“ oder des „wahren Menschen“, ist es klar, dass wir, wenn wir über den Verlauf nachdenken, kein festes Fundament haben für unsere Gedanken.
In der Homöopathie vereinigt man die Lehren von Hahnemann, Hering und anderen berühmten Homöopathen meist zu dem Bild von Gesundheit auf den 3 Ebenen:
1. geistige,
2. emotionale,
3. körperliche Gesundheit.
Die geistige Ebene wird als die höchste und wichtigste Ebene betrachtet.
Nach der Heringschen Regel verläuft ein Gesundwerden von oben nach unten und von innen nach außen.
Außerdem treten Beschwerden, die der Patient schon einmal im Laufe seines Lebens hatte, im Rahmen einer konstitutionellen Behandlung kurz wieder auf. Das ist ein Teil der Heilung: Was einmal vom Körper als Krankheit produziert wurde, aber bis heute nur unterdrückt oder eingekapselt geblieben ist, kommt nochmal „raus“. Diese Symptome verschwinden wieder. Sie treten auf im Rahmen einer tiefgreifenden (und erfolgreichen) homöopathischen Heilung in umgekehrter Reihenfolge, wie sie im Leben des Patienten aufgetaucht sind.
Eine ganze Weile merken wir, dass wir wachsen. Wir nehmen anders wahr, wir fühlen uns anders und wir verstehen auch Dinge plötzlich anders, gefühlt "richtiger". Das unendliche Kaleidoskop der Welt zeigt uns neue Farben. Wir leben nun in einer bestimmten Bewusstseinsstufe.
Und dann kommt die Phase, in der wir erneut wachsen. In der neuen Wachstumsphase muss das Alte vergehen. Es zerbricht manchmal, also Beziehungen werden ungemütlich, anderes wird langweilig, oder es kommen Chancen oder Gefahren auf uns zu. Es wird also nichts entwertet, aber wir verändern uns noch bevor wir gewachsen sind. Jetzt kommen aber auch neue Erkenntnisse. Und dann sind wir schon auf der neuen Stufe.
Erkenntnis hört sich ein bisschen nach Wissen an. Aber es geht nicht um Wissen, sondern um Weisheit. Und Weisheit bedeutet nichts anderes als Selbsterkenntnis.
Die Alchemisten glaub(t)en, dass es verschiedene (polare) Zustände / Energien in uns gibt. Wenn wir die Fähigkeit erlangen, auf unserem Weg diese Energien zusammenzubringen, müssen wir - im übertragenen Sinne - sterben: Unser altes Selbst wächst jetzt und wir werden jemand anders, ein anderes Selbst.
In der Mythologie (auch in der christlichen Mythologie, auch in der Bibel) gilt, dass nach dem Tod des Gottmenschen die Wiederauferstehung folgt. Gemeint ist, dass jemand, der sich selbst erkannt hat, sein wahres Selbst leben kann.